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Fragen eines lesenden Wählers

Stefan Welzk


Auf über 2000 Milliarden US-Dollar schätzt man weltweit die Schäden der Krise. Verzweifelt wird gefragt, wohin dieses Geld entschwunden ist. Doch wo sind diese gigantischen Summen eigentlich hergekommen, die da rund um den Globus vagabundiert und in den Sand gesetzt worden sind? Hat man allzu erfolgreich die Löhne gedrückt und die Gewinne hochgetrieben und für dieses Geld dann keine solide Verwendung mehr gefunden?

Wir haben eine hochbezahlte Bundesbehörde zur Bankenaufsicht. Was hat man dort getan all die Jahre, als sich auch unsere Banken wie Lemminge in den absehbaren Ruin gestürzt haben? Warum zieht man diese verbeamteten Versager nicht zur Rechenschaft? Und warum hat der Bundestag dieses Treiben vor fünf Jahren mit einem neuen Gesetz eigens noch profitabler gemacht? Was ist in diesen Zeiten der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung eines Hedgefonds? Was ein Schneidbrenner gegen den Verkauf wertloser Wertpapiere? Un d was sind Hehler- Schmugglerringe gegen das Netzwerk der Bankenbranche in den Steueroasen?

Jetzt stützt der Staat Pleitebanken und wohl auch strauchelnde Firmen. Das Geld dafür muss er mit neuen Staatsanleihen zusammenborgen. Wer rettet hier wen auf wessen Kosten? Werden diese Schuldenpapiere dann von den sanierten Investoren begeistert gekauft? Werden zur Abzahlung dieser Schulden bald wieder Schulen, Straßen und Wasserleitungen verkauft und teuer zurückgeleast? Bluten wir bis ans Ende unserer Tage für die blinde Raffgier hochbezahlter Scharlatane ?

Firmenchefs sind meist versichert gegen Schäden aus ihrem Missmanagement. Die Prämien dafür zahlen nicht einmal sie selbst, sondern die Firmen. Muss man sie feuern, bekommen sie oft noch einen „goldenen Handschlag“, und der reicht nicht selten bis zum Lebensende. Warum sollen sie Sorgfalt üben und Risiken scheuen?

Die Zulieferfirmen der Autoindustrie bieten preiswert gute Qualität. Doch schon in guten Zeiten haben ihnen die Konzerne die Luft fast abgedrückt, und das oft mit einer Brutalität jenseits von Fairness und Recht. Viele wurden aufgekauft von Hedgefonds und müssen seither den Kaufpreis nebst Zinsen auch noch selbst abstottern. Denn der wurde als neue Schuldenlast in ihre Bilanzen gedrückt. Das treibt sie jetzt in die Pleite. In Deutschland sind 200 bis 250 dieser Firmen akut gefährdet oder schon insolvent. Wer schützt grundgesunde Unternehmen vor dem Ruin durch Heuschrecken jedweder Art?

Streiken dürfen wir für ein Prozent mehr Lohn. Warum dürfen wir nicht streiken gegen die Verlagerung der ganzen Fabrik nach Rumänien, nach Indien und Bangladesch oder nach China ins Perlflussdelta, wo Partnerfirmen von Aldi und Lidl sieben Tage in der Woche 13 Stunden arbeiten lassen, für Löhne, die kaum zum nackten Überleben reichen?

Eine Milliardeuse hat sich schlimm verzockt, und das auf Pump, beim Aufkauf des Reifenkonzerns Continental. Die Betriebsräte haben einen dramatischen Hilfsappell an die Bundesregierung gerichtet. Ohne massive Staatshilfe komme der Konzern nicht mehr durch. Müssen wir jetzt für die Schulden dieser Milliardeuse haften, weil andernfalls über 200 000 Jobs absaufen? Klopft dann sofort der nächste Konzernchef an die Kanzleramtspforte, solange bei Merkel, Steinbrück & Co. Noch was zu holen ist? Wie lange kann die Gesellschaft, kann der Staat eine solche Marktwirtschaft verkraften?

Herr Ackermann hat im vorletzten Jahr einen Bonus von 14 Millionen Euro kassiert. Dafür hätte ein deutscher Normalverdiener seit dem 30jährigen Krieg arbeiten müssen. Diesmal verzichtet Herr Ackermann auf seinen Bonus. Ist es nicht sittenwidrig, dass dem Mann bei einem Verlust von fast 4 Milliarden überhaupt ein Bonus zusteht?

Die gefeuerten Chefs der Hypo Real Estate klagen gegen ihren Rauswurf. Mit 102 Milliarden an Hilfen und Bürgschaften hat der Staat hier bisher die Pleite verzögert. Volle 17 Jahre hätten die zwei Millionen Kinder in den Hartz-IV-Haushalten von diesem Geld zu leben gehabt. Wäre es da nicht billiger und besser, der Staat würde der Wirtschaft zur Zeit mit einer eigenen Aushilfsbank unter die Arme greifen, anstatt für jede Katastrophenbank geradezustehen, die sich irgendwo draußen, in Dublin oder auf den Kaiman-Inseln, Schundpapiere hat andrehen lassen?

Washington hat die Banken der Wall-Street mit Hilfsgeldern geflutet, damit die Wirtschaft wieder Kredite bekommt und nicht zusammenbricht. Doch die Banken haben weiterhin Kredite blockiert, stattdessen fette Dividenden ausgeschüttet und ihre Mitarbeiter mit 18 Milliarden Dollar Boni beschenkt. Und sie horten die Staatshilfen, um damit kleinere Konkurrenten krisengünstig aufzukaufen. Wie verhindern wir, dass durch solche Kreditblockaden solide Arbeitsplätze vernichtet werden? Wie bringen wir Banken dazu, wieder ihrem Job als Mittler zwischen Sparern und Investoren nachzukommen?

Bei der Großbank Merill Lynch wurde nach einem Verlust von 8 Milliarden Dollar deren Chef mit einem Schmerzensgeld von 175 Millionen Dollar abserviert. Dafür muss ein normaler Amerikaner 4000 Jahre arbeiten. Inzwischen ist Merill Lynch von der Bank of Amerika geschluckt worden. Droht uns nach den sogenannten Diktaturen des Proletariats die weltumgreifende Diktatur eines Monetariats, ohne jedes Empfinden für die unterworfene Wirklichkeit?

In den Zeitungen stehen die Namen der prominenten Bankrotteure. Die Namen der ihretwegen Arbeitslosen stehen da nicht. Wer würde die auch lesen wollen? Es wären ohnehin zu viele.

1789 in Frankreich und 1989 in Russland wurden die Regime weggefegt, als den feudalen Privilegien der Eliten keine erkennbare Leistung mehr gegenüber stand. Stehen heute Entlohnung und Privilegien der Wirtschaftseliten noch in irgendeinem sinnvollen Verhältnis zu dem, was sie leisten? Wie retten wir unsere einst doch soziale Marktwirtschaft vor dem Ruin durch die Eliten der Finanbranche?

So viele Berichte. So viele Fragen.


Stefan Welzk, Dr.phil Dr.rer.pol., Physiker, Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler

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