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Um 1000 Kilometer näher

Warum die „Osterweiterung“ für uns eine Gefährdung von Weltkrieg-Format bildet

Von Rolf Hochhuth


Dass Chruschtschow Raketen auf Kuba in Stellung brachte und wieder abzog auf Geheiß Kennedys, der dafür seine aus der Türkei zurückzog – das unterscheidet sich von der jetzigen Postierung amerikanischer Raketen in Osteuropa allein durch die - Angst machende – Tatsache, dass Putin dazu schweigt: Hunde, die bellen, beißen nicht…

In Georgien hat Putin ja plötzlich demonstriert, dass er sich nicht alles gefallen lässt; sogar schon, bevor Irrsinnige auf den Wahnwitz kamen, das Land müsse ebenso wie die Ukraine in die Nato!

Illusion also, ausgerechnet Putin könne der Russe sein, der für immer hinnimmt, was Helmut Schmidt als erster vorgerechnet hat – dass nämlich „die Nato vom Harz über Oder und Weichsel bis an den Bug um 1000 Kilometer näher an Russland herangerückt“ ist!

Haben wir Weinachten gelesen, das kommende Jahr 2009 werde und um den Schlaf bringen wegen der Konjunktureinbrüche, angeblich schlimmer als alle seit 1949 -, eine weitaus schockierendere Bedrohung steht über uns: Die mit einem schon fast gängigen Wort sehr verharmloste Nato-Osterweiterung“


Seit Hitler hat niemand die Russen lebensgefährlicher bedroht als derzeit die USA

Hat jemand, der Geschichte liest, je aufgefunden, dass eine Großmacht einer anderen im „Frieden“ ein Drittel ihres europäischen Territoriums abwirbt in ein Militärbündnis, das 60 Jahre zuvor gegründet worden war, dieses Imperium in Schach zu halten?

Noch als 1995 Finnland Mitglied der EU wurde, war es selbstverständlich, dass sein Nato-Beitritt nie in Frage komme. Kürzlich aber stellten die Amerikaner angeblich deshalb ihre Raketen sogar nach Polen! -, um iranische abzuwehren… Könnte man sie nicht gefahrlos, wenn denn also welche auf die USA abgefeuert würden, wofür auch nicht der Schatten eines Indizes je gesehen wurde -, aus den Nato-Bereichen Kreta oder Zypern runterholen?

Freilich würde dann Russland nicht bedroht, was aber neuerdings offenbar die Hauptabsicht des Weißen Hauses ist! Oder warum jetzt US-Raketen in Polen?

Dass Amerikaner ohne Not die Russen lebensgefährlicher herausfordern, als die je seit Hitler bedroht wurden; dass der US-Rüstungsindustrie die Gewissheit bleibt, dieser ihr Wiederaufstieg werde ihr selber keine einzige Fensterscheibe demolieren – ist nur eine Seite der Medaille.

Die andere: Kontinental-Europäer können dem nur zustimmen, soweit sie so verrückt geworden sind, einem selbstmörderischen Todestrieb zu folgen – völlig bewusstlos, denn mindestens in Deutschland wird ja nicht einmal gesprochen über die Endfalle, in die wir jetzt auf Weisung Washingtons hineintappen!

Und wie kommt das?

Weil weitaus die meisten Europäer westlich der Elbe, seit der Braunauer sich endlich in den Mund schoss, auch schon zwei Generationen her, dummsatt dank Friede und Reichtum wie nie zuvor, und folglich historisch gedächtnislos geworden, vor sich hinblödeln – derart, dass sie ihre jetzt überraschend neue Gefährdung von Weltkrieg-Format nicht einmal verdrängen müssen.

Sie bemerken sie gar nicht!

Undenkbar, dass Washington nicht sieht, gleich welcher Hautfarbe der Präsident, dass es sich hier um zweifellos die wütendste Provokation Russlands handelt – seit der Nacht vom 21. Auf den 22. Juni 41, als Hitler über seinen vertragstreuen Rohstofflieferanten Stalin herfiel.

(Was der sogar noch in der Stunde des Überfalls nicht glauben wollte: Churchill hatte die Russen 84 (!) Mal gewarnt, vergeblich; und nannte deshalb in seinen Memoiren Stalin „den zu diesem Zeitpunkt meistüberlisteten Stümper des Zweiten Weltkriegs“, weil der besessen war von dem Wahn, der Brite wolle Russen und Deutsche gegeneinander hetzen. Konnte doch Stalin Hitler für nicht so irrsinnig halten, mit einem ungeschlagenen Großbritannien im Nacken über den Kreml herzufallen.)

Nato – der Begriff ist doch wohl, sofern ich noch Deutsch kann, durch Nordatlantik geprägt? Muss der auch noch in Kiew oder Tiflis verteidigt werden?

Helmut Schmidt sagte denn auch unverblümt über dieses Ansinnen: „Der Nordatlantik-Vertrag spricht davon, dass man andere europäische Staaten aufnehmen kann, von asiatischen Staaten ist dort keine Rede… Daran nehmen andere Großmächte wie Russland und China Anstoß … Es wird zum Beispiel allen Ernstes debattiert, Georgien in die Nato aufzunehmen.“

Was wie immer bald kommen wird – es macht nicht das Problem ersten Ranges hinfällig: Warum soll ausgerechnet genötigt werden, durch eine transatlantische Macht, weil die durch Aufrüstung und Krieg eine neue Konjunktur erzwingen muss-, nach nur 67 Jahren erneut die Russen derart zu reizen? Bleiben wir in der Nato – bleiben wir mithaftbar für deren kriegkriminelle Ausdehnungsgelüste!

Als ich unseren Außenminister fragte, ob denn er oder die Frau Bundeskanzlerin endlich mit einem klaren Nein die Zumutung der Nato abschmettern könnten, sogar Deutsche sollten den Russen antun, Ukrainer und Georgier in das Bündnis gegen Moskau einzubinden -, konnte Herr Steinmeier nur seine mindestens momentane Hilflosigkeit andeuten. Deutsche sind eben nicht souverän … leben aber, als sei das so.

Ich habe nie jemanden in einem so bedeutenden Amt angesichts derart inkommensurablen Entscheidung so ratlos erlebt.

Deutsche sind eben nicht souverän … - leben aber, als sei das so

Obgleich Herr Steinmeier weiß: BRD wie Österreich können nur strikt weghören, wenn einige Ukrainer, doch sicher nicht die Mehrheit, mit dem Ansinnen kommen, für sie Konflikte zwischen Kiew und Moskau auszutragen, die uns überhaupt nichts angehen!

Diese Ukrainer, mag auch ihre Sprache von der russischen sich so sehr unterscheiden wie Ostfriesisch von Südtirolerisch – Russen sind sie doch seit aberhundert Jahren.

Und ausgerechnet unsere Aufgabe ist es nicht, ihnen zu „mehr Demokratie“ zu verhelfen, zu der wir Deutsche ja selber erst vor 60 Jahren durch unsere westlichen Befreier zwangsweise missioniert wurden!

Trotz allem zeitmodischen Vereinigungsgequatsche: Es bleibt immer eine Anmaßung, sich in innenpolitische Konflikte – wenn die nicht Morde sind -, anderer Völker einzumischen.

Noch einmal der sicher bedrohlichste Aspekt: Dass es für uns Kontinentale – abgesehen vom einzigen klassischen Politiker des Kontinents in den Nachkriegsjahren, von de Gaulle – überhaupt diskutabel wurde, sich allein von Washington das Verhakten der Nato vorschreiben zu lassen , beweist, wir haben noch immer nicht begriffen, dass wir seit 1945 strategisch nur noch russisches und amerikanisches „Rohmaterial“ sind. Ebenso wie einst für die Römer die von ihnen unterworfenen Völkerschaften ums Mittelmeer. Und dass deshalb auch ein „nur konventioneller“ ohne Atomwaffen geführter Krieg, wie es zahllose seit 1945 gab – Deutschland ebenso restlos beseitigen wird, wie der 3. Punische Karthago weggemacht hat : Angesichts der Transzendenz nicht unlogisch, dass die Nation verschwindet, die Auschwitz veranstaltete!

Unsere „Verbündeten“ werden nur insoweit bedauern, dass es uns Deutsche nicht mehr gibt, als möglicherweise auch sie dabei teilverstümmelt werden und uns als Kunden verlieren … Beethoven bliebe ihnen ja!

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