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Politische Klasse ohne Klasse

von Klaus Kocks


Handwerker haben das beste Gefühl für Menschen. Sie riechen, ob jemand was taugt. Etwa ein Abgeordneter.

Wie setzt sich der deutsche Bundestag zusammen? Eine gute Frage, wenn man sich im Fernsehen ansieht, wer da so alles rumhampelt. Eine Antwort lautet, dass es vor allem Lehrer und andere Beamte sind, die im Hohen Hause das deutsche Volk vertreten. Wenn es keine Pauker sind, dann eben Juristen. Jedenfalls keine Leute, die von ihrer Hände Arbeit leben und mit beiden Beinen im Leben stehen.

Mein Installateurmeister Ralph, der ein netter und gerader Kerl ist, sagt, er arbeite nicht für Studienräte und Rechtsanwälte. Das sei eine Bande besserwisserischer Querulanten, die hinterher nicht mal das Geld hätten, ihre Rechnungen zu bezahlen.
Mein Schreiner Rainer findet, dass sein Handwerkskollege recht hat; der ist auch ein netter und ordentlicher Mann. Nur bei kleinen Beamten ist die Wahl in den Bundestag ein sozialer Aufstieg. Andere sind keine geborene Besserwisser oder würden sich auch noch verschlechtern und lassen es deshalb.

Wessen Interessen werden im Reichstagsgebäude vertreten? Ein imperatives Mandat seitens der Wähler gibt es nicht in unserer Verfassung. Ein imperatives Mandat seitens der Wähler gibt es nicht in unserer Verfassung. Man hört immer wieder Kritik, dass dort eigentlich die Parteien das Sagen haben. Es gibt so etwas wie Fraktionszwang. Dann müssen alle so stimmen, wie ihr Fraktionsvorsitzender das will. Das Gewissen des einzelnen Abgeordneten oder die Meinung der Menschen in seinem Wahlkreis spielen dann keine Rolle. Der Staat, die Gesetzgebung eine Beute der Parteien: Das klingt nicht gut.

In England sind die Verhältnisse klarer: Im Unterhaus vertritt jeder Abgeordnete einen Wahlkreis. Und am Wochenende sieht man ihn, den Deputierten, auf dem Marktplatz und kann ihn zur Rede stellen. Was machst Du da eigentlich? Rechtfertige Dich! Allerdings führt dieses System dazu, dass die Meinung der Bevölkerung insgesamt nicht der Zusammensetzung des Parlaments entspricht: In den Wahlkämpfen geht es nicht um nationale Prozente, sondern um Sieg im jeweiligen Wahlkreis. In Deutschland herrscht eine Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht, sagen die Experten.

Aber das Parlament soll doch in unserem Namen die Regierung kontrollieren. Meint das Volk. Aber das ist falsch. Ein verbreiteter Irrtum. Die Opposition kontrolliert die Regierung. Und der andere Teil des Bundestags unterstützt die Regierung. So ist die Rollenverteilung. Deshalb ist eine große Koalition ja großer Mist, ein Unglücksfall der Demokratie. Nicht nur die SPD leidet, weil alle Erfolge der Kanzlerin zu nützen scheinen. Die CDU leidet unter der Moderationskanzlerin gleichermaßen. Das Publikum nimmt schwarze Sozis und rote Konservative wahr und ist so verzweifelt, dass es sich fast den Liberalen an den Hals wirft; das sind jetzt zwei Parteien, bei denen man den Unterschied zwischen den Grünen und den Gelben auch nicht mehr sieht.

Die Regierungsfraktionen sollen die Regierung stützen. Ja, aber was ist, wenn ein Abgeordneter der Regierungsfraktion sich weigert, die Regierung zu unterstützen? Wenn er einfach Opposition spielt? Die Frage lässt sich einfach beantworten. Dann gehört er der SPD an. Die Sozis haben einen angeborenen moralischen Defekt. Sie wollen immer bei den Guten sein, die sich nicht die Hände schmutzig machen. Sie sind verantwortungsscheu und halten das für eine Tugend. Ich werde meinen Installateur und meinen Schreiner bitten, für die nicht mehr zu arbeiten.


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